Ein getrenntlebender Ehepartner kann vom anderen Unterhalt verlangen, wenn er seinen Geldbedarf nicht selbst decken kann. Im Rahmen des Unterhaltsrechts - sowohl bei Trennungsunterhalt wie bei nachehelichen Ehegattenunterhalt - erfolgt die Berechnung im Regelfall nach einem Vergleich der Einkommen. Die Partei mit höheren Einkommen zahlt an die andere Seite. Jeder der beiden Eheleute wird ein „Erwerbstätigenbonus” von 10 % seiner Nettoeinkünfte zugebilligt. Diesen Anteil des selbst erwirtschafteten Einkommens darf er „behalten”. Der Rest wird geteilt Zielstellung dieser Vorgabe ist es, dass für denjenigen, der arbeitet, ein Teil des Einkommens verbleibt auf den die andere Seite keinen Anspruch hat.
Werden Unterhaltsansprüche geltend gemacht, die oberhalb bestimmter Regelgrenzen liegen (Gesamtsumme aus Einkünften oberhalb 3.000,00 EUR bis 5.100,00 EUR - je nach lokaler Rechtsprechung) wird der Unterhaltsbetrag nicht mehr durch den Vergleich der Einkünfte und die Differenzverrechnung (sog. „Quotenunterhalt”) berechnet, sondern durch „konkrete Unterhaltsbemessung”. Letztlich teilt der Unterhaltsberechtigte im Einzelnen mit, welche Leistungen er nach seinem Lebensstandard in der Vergangenheit zur Verfügung hatte und setzt diese Summen in eine Gesamtunterhaltsforderung um. An dieser Stelle werden besondere Aufwendungen wie beispielsweise die Kosten für den Unterhalt mehrerer Reitpferde, regelmäßige Fernreisen, ständige Aufenthalte in fernen Ländern etc. aufgelistet und summiert um hierbei diesen besonders hohen Bedarf darzustellen und zu rechtfertigen.
In diesen Fällen, in welchen in der Regel sehr hohe Unterhaltsbeträge im Streit stehen, ergab sich in der Vergangenheit die Frage, ob dem Unterhaltsberechtigten bei der Berechnung des eigenen Einkommens der oben genannte „Erwerbstätigenbonus” von 10 % zugerechnet werden kann und darf. Zu dieser umstrittenen Frage hat der Bundesgerichtshof nun eine abschließende Entscheidung getroffen.
Mit Versäumnisurteil vom 10.11.2010 hat der Bundesgerichthof (Az.: XII ZR 197/08) entschieden, dass bei einer Bedarfsermittlung nach den konkreten Verhältnissen eigenes Erwerbseinkommen des Unterhaltsberechtigten zur Ermittlung der Bedürftigkeit nicht gekürzt um einen Erwerbsbonus, sondern „in vollem Umfang auf den Bedarf anzurechen ist”.
Im Verfahren des BGH hatten die Parteien um nachehelichen Unterhalt gestritten. Die Ehefrau hatte gegen den Ehemann eine hohe monatliche Unterhaltszahlung (nach ihrem konkreten Bedarf) geltend gemacht. Zudem hatte sie eigenes Einkommen von ca. 1.000,00 EUR netto im Monat.
Der Abzug eines Erwerbstätigenbonus ist hier für die Ehefrau ausgeschlossen. Bei der konkreten Unterhaltsbemessung ist dies - so der BGH - aus Gründen der Gleichbehandlung der Parteien nicht gerechtfertigt. Nur bei der Bedarfsbemessung und Unterhaltsberechnung nach Quoten darf auf beiden Seiten ein Erwerbsanreiz abgezogen werden.
Das Gericht begründet seine Entscheidung mit der unterhaltsrechtlichen Eigenverantwortung, durch die der Unterhaltsberechtigte nicht durch einen Erwerbstätigenbonus zur Erwerbstätigkeit motiviert werden müsse. Bei einer konkreten Bedarfsbemessung, die auf weitgehend pauschalen Schätzungen beruhe, sei ein solcher Erwerbsanreiz nicht notwendig.
Für die Praxis bedeutet dies, dass ein Abzug des Erwerbstätigenbonus ausgeschlossen ist, wenn ein hoher konkreter Bedarf geltend gemacht wird.