Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 15.03.2012 (Az.: IX ZR 239/09) entschieden, dass die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO nicht durch den Nachweis der Zahlungsunwilligkeit des Schuldners widerlegt werden kann. Vielmehr ist der Nachweis der Zahlungsfähigkeit notwendig.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Insolvenzverwalter begehrte im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO die Rückgewähr von Steuerzahlungen in Höhe von über 1,6 Millionen Euro. Die Insolvenzschuldnerin hat in 21 Fällen zwischen April 2003 und Februar 2006 Zahlungen in dieser Höhe an das Finanzamt geleistet. Die Forderungen des Finanzamtes überstiegen allerdings bei weitem die geleisteten Zahlungen. Dennoch ging das Finanzamt lediglich von einer Zahlungsunwilligkeit seitens der Insolvenzschuldnerin aus.
Der BGH hierzu: Die Zahlungsunfähigkeit wird gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Diese Vermutung gilt auch im Rahmen des § 133 Abs. 2 S. 2 InsO, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Zahlungseinstellung ist dasjenige, nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Eine eingetretene Zahlungseinstellung kann nur wieder beseitigt werden, indem der Schuldner alle Zahlungen wieder aufnimmt. Dies hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft. Lag damit eine fortdauernde Zahlungseinstellung vor, begründet dies die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit, die vom Prozessgegner zu widerlegen ist.
Die Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO bewirkt eine Umkehr der Beweislast. Der Anfechtungsgegner muss darlegen und beweisen, dass entweder der Schuldner nicht mit Benachteiligungsvorsatz handelte oder dass er, der Anfechtungsgegner, nichts von dem Anfechtungsvorsatz wusste. Dieser Gegenbeweis kann nicht allein dadurch geführt werden, dass der Anfechtungsgegner darlegt und beweist, dass er von der Zahlungseinstellung des Schuldners in Folge Zahlungsunwilligkeit ausgegangen ist. Eine Zahlungseinstellung kann zwar auf Zahlungsunwilligkeit beruhen. Die im Insolvenzrecht als Verteidigungsmittel erhebliche Zahlungsunwilligkeit liegt aber nur vor, wenn gleichzeitig feststeht, dass der Insolvenzschuldner ausreichende Geldmittel zur Verfügung hat („Zahlungsfähigkeit»). Nur wenn Zahlungsfähigkeit gegeben war, kann sich der Gläubiger mit der Zahlungsunwilligkeit des Schuldners verteidigen.
Als Fazit bleibt, dass der Gläubiger die Zahlungsfähigkeit des Schuldners beweisen muss, wenn er sich auf die Zahlungsunwilligkeit des Schuldners beruft.