Wenn Eltern zu Lebzeiten ihr Vermögen, wie Sparkonten oder Immobilien auf Kinder übertragen, wird als Ziel immer wieder genannt, die Werte „vor dem Sozialamt in Sicherheit zu bringen“. Die Gefahr, dass das übertragene Vermögen später an die Sozialhilfeträger herausgegeben werden muss ist tatsächlich vorhanden. Hintergrund ist sind die Bestimmungen des § 528 BGB. Diese ermöglichen es jedem Schenker, das Geschenk innerhalb von zehn Jahren zurückzufordern, wenn er – so das Gesetz – „verarmt“. Dieser Anspruch geht auf die Sozialhilfeträger über, wenn diese für den Schenker Leistungen erbringen.
Motiv des Gesetzes ist, dass jemand der finanziell für sich selbst sorgen kann, dies auch tun und nicht auf Kosten der Sozialgemeinschaft leben soll. Das Recht stellt den Schenker so, dass er das verschenkte Vermögen zurückerhält und somit wieder finanziell leistungsfähig ist. Gegen das Rückgabeverlangen kann der Beschenkte jedoch nach § 529 Abs. 2 BGB einwenden, dass er außer Stande ist, das Geschenk herauszugeben ohne dass sein eigener Unterhalt oder die Erfüllung eigener Unterhaltspflichten (z.B. für die eigenen Kinder) gefährdet wird.
Ein weiterer Durchgriffsanspruch der Sozialhilfeträger auf Kinder ist der sogenannte Elternunterhalt (§§ 1601 ff. BGB). Denn nicht nur Eltern müssen für Kinder finanziell aufkommen, sondern auch umgekehrt die Kinder für ihre Eltern. Diesen Unterhaltsanspruch können die Sozialbehörden auf sich überleiten und dann selbst geltend machen. Allerdings gilt hier die Einkommensgrenze des § 94 Abs. 1a SGB XII von 100.000 Euro pro Jahr. Erst wenn dieses Jahreseinkommen des Kindes überschritten wird, findet der Übergang von Unterhaltsansprüchen statt.
Aber gilt diese Grenze von 100.000 Euro auch als Einwand im Sinne des § 529 BGB bei der Rückforderung einer Schenkung? Darf man letztlich eine Schenkung bis zu dieser Summe behalten? Hierzu hatte der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 16.04.2024 (X ZR 14/23) zu entscheiden.
Vorliegend machte der Sozialhilfeträger gegen den Beschenkten aus übergeleitetem Recht einen Anspruch auf Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung geltend. Die verstorbene Mutter des Beschenkten hatte, vor Ablauf der 10-Jahres-Frist, ein Sparkonto auf den Sohn übertragen. Der Sozialhilfeträger, der für die Mutter des Beschenkten bis zu ihrem Tod Pflegewohngeld und weitere Leistungen erbracht hat, verlangt die Herausgabe des Geldes.
Der Beschenkte macht demgegenüber die Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts bei Herausgabe des Geschenks nach § 529 Abs. 2 BGB geltend. Dies sahen die erste und zweite Instanz der Gerichte auch so und urteilten, dass er das Geld behalten darf. Hiergegen hat der Sozialhilfeträger Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.
Dieser entschied anders. Begründet hat dies der Bundesgerichtshof damit, dass zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für einen Herausgabeanspruch gemäß § 528 BGB vorliegen und der Sozialhilfeträger diesen Anspruch rechtswirksam auf sich übergeleitet hat. Auch dürfe ein Herausgabeanspruch aus § 528 BGB auf die Sozialbehörden übergeleitet werden und eine solche Überleitung ist nach dem Tod des Schenkers ohne weiteres zulässig. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs vermag jedoch die Einrede des Beschenkten, er sei bei Rückgabe des Geldes außer Stande, seinen eigenen Unterhalt zu finanzieren, nicht durchzugreifen.
§ 529 Abs. 2 BGB schließt einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks aus, wenn der Beschenkte unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen nicht zur Herausgabe des Geschenks imstande ist, ohne dass sein standesgemäßer Unterhalt oder die Erfüllung der ihm durch Gesetz auferlegten Unterhaltspflichten gefährdet wird.
Hierbei stellt der Bundesgerichtshof klar, dass § 94 Abs. 1a Satz 2 SGB XII, der einen Ausschluss des Übergangs von Unterhaltsansprüchen auf Sozialhilfeträger bei einem jährlichen Gesamteinkommen des Schuldners von nicht mehr als 100.000 Euro vorsieht, bei Bemessung des angemessenen Unterhalts gemäß § 529 Abs. 2 BGB keine Anwendung findet, da das SGB XII insoweit keine planwidrige Lücke enthält. Der Sohn darf sich nicht auf die 100.000 Euro-Grenze berufen.
§ 94 Abs. 1 SGB XII schreibt nur den Übergang von Unterhaltsansprüchen auf den Träger der Sozialhilfe vor. Für andere Ansprüche besteht jedoch die uneingeschränkte Möglichkeit der Überleitung durch Verwaltungsakt. § 94 Abs. 1SGB XII beziehe sich hierbei lediglich auf den Übergang von Unterhaltsansprüchen, jedoch explizit nicht auf die Befugnis zur Überleitung anderer Ansprüche.
Infolgedessen ist keine entsprechende Anwendung von § 94 Abs. 1a S. 2 SGB XII möglich, nach welchem die Grundsätze zur Bemessung des angemessenen Unterhalts eines seinen Eltern zum Unterhalt verpflichteten Kindes auch bei der Anwendung von § 529 Abs. 2 BGB entscheidend sind.
Der Bundesgerichtshof hat hierbei nicht verkannt, dass der Herausgabeanspruch wegen Verarmung des Schenkers aus § 528 BGB grundsätzlich einem Unterhaltsanspruch von Eltern gegenüber Kindern gleichgestellt ist; der Gesetzgeber hat in § 94 Abs. 1a SGB XII aber keine Regelung des Selbstbehalts vorgenommen, sondern lediglich die Möglichkeit zum Rückgriff durch den Sozialhilfeträger.
Daher gilt die Grenze von 100.000 Euro nur für den Übergang von Unterhaltsansprüchen. Verdient ein Kind weniger, kann der Sozialhilfeträger den Unterhalt für bedürftige Eltern nicht einfordern. Diese Grenze ist jedoch nicht auf Rückforderungsansprüche wegen Verarmung des Schenkers und die Einrede der Gefährdung des eigenen Unterhalts nach § 529 Abs. 2 BGB anwendbar. Hier gelten andere Grenzen – über diese hat der Bundesgerichtshof jedoch nicht entschieden, sondern den Rechtsstreit an das zuständige Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dieses hat nunmehr den Selbstbehalt nach den Vorgaben des allgemeinen Unterhaltsrechts zu bemessen.
Letztlich gilt, dass die Übertragung von Vermögen seitens der Eltern auf ihre Kinder immer gut bedacht sein sollte. Die Grenze von zehn Jahren, innerhalb derer die Rückforderung der Schenkung möglich ist, muss immer berücksichtigt werden.