Die Frage, bei welchem Elternteil ein gemeinsames Kind bei Auszug aus der gemeinsamen Wohnung bleibt, ist eine der häufigsten - gerade bei konfliktreichen Trennungen. Typisch ist folgender Sachverhalt:
M und F sind miteinander verheiratet. F möchte sich von M trennen und aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. Das gemeinsame Kind soll mitkommen. M ist damit nicht einverstanden. Das Jugendamt kann nicht vermitteln. Es stellt sich die Frage, ob F das Kind nun einfach mitnehmen darf?
Maßgeblich ist hier § 1627 BGB. Danach kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung über den Wechsel des Aufenthaltsorts auf einen der beiden Ehegatten übertragen, wenn eine Einigung über den Aufenthaltsort zwischen den Eltern nicht möglich ist, insbesondere nachdem ein Einigungsversuch beim Jugendamt gescheitert ist. Das Gericht trifft also nicht selbst die Entscheidung über den Aufenthaltsort des Kindes, sondern spricht das Bestimmungsrecht hierüber einem der Eltern zu, je nachdem was dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Entscheidend ist nach § 1627 BGB nicht, ob ein Elternteil für den Umzug triftige Gründe vortragen kann. Das Familiengericht hat vielmehr zu prüfen, ob der Umzug mit F oder der Verbleib bei M für das Kind die bessere Lösung ist. Das geschieht im Rahmen einer sogenannten “Einzelfallabwägung”, wobei ausschließlich Kindeswohlaspekte zum Tragen kommen. Der richtige und sichere Weg ist es somit, in dieser Lage zunächst das Gericht anzurufen.
Doch was gilt, wenn ein Ehepartner bereits ausgezogen ist und das Kind gegen den Willen des anderen mitgenommen hat? Einem Elternteil steht das Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Kindes nicht alleine zu. Daher kann eine „Herausgabe“ des Kindes regelmäßig nicht ohne Weiteres verlangt werden. Sonst würde der Grundsatz der gemeinsamen Sorgerechtsausübung ad absurdum geführt. Gleichzeitig besteht eine Pattsituation. Beide Eltern können bestimmen, wollen jedoch Gegenteiliges. Dieses Dilemma kann rechtlich abschließend nur durch eine Einigung oder eine gerichtliche Sorgerechtsentscheidung gelöst werden.
Schärfere Sanktionen erfolgen jedoch, im Fall einer auch strafrechtlich relevanten Entziehung Minderjähriger, bei Kindesentführung oder bei einer Verbringung des Kindes ins Ausland. Hier werden die Strafverfolgungsbehörden aktiv und die Familiengerichte können kurzfristige Entscheidungen zur Rückführung des Kindes - bei Auslandsentführungen nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) treffen. Daher ist die Entscheidung, Kinder gegen den Willen des anderen Elternteils, bei einer Trennung “einfach mitzunehmen” immer mit der Gefahr konfrontiert, dass es sich gegebenenfalls um eine Straftat handelt und die Kinder sehr schnell durch gerichtliche Entscheidung zurückgebracht werden.
Streitigkeiten der Eltern nach Trennung, über das Aufenthaltsbestimmungsrecht bringen Kinder in einen Loyalitätskonflikt und können sie sehr belasten. In deren Interesse sollten Eltern zum Verbleib der Kinder nach Trennung unbedingt eine einvernehmliche und außergerichtliche Vereinbarung suchen.