Am 25.01.2011 hat das Bundesverfassungsgericht eine wegweisende Entscheidung zum Unterhaltsrecht getroffen (1 BvR 918/10). Mit dieser wurde die bisherige Rechtsprechungspraxis der Familiengerichte zur Berechnung des Unterhalts für verfassungswidrig erklärt.
Wenn eine Ehe geschieden wird, regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), dass der finanziell schwächere Partner künftig Unterhalt erhält. Zentrale Norm ist § 1578 BGB. Hier ist definiert, wie die Höhe des Unterhaltsanspruchs bestimmt wird. Der Maßstab sind die „ehelichen Lebensverhältnisse”. Ziel ist, dass durch eine Scheidung kein Partner schlechter gestellt werden soll als in der Ehe. Der Gesetzgeber wünscht den Erhalt des Lebensstandards, der während der Ehe prägend war. Bezugspunkt für die Unterhaltshöhe soll ausschließlich die Situation in der - jetzt geschiedenen - Ehe sein.
Diese gesetzliche Vorgabe wurde jedoch seit Jahren in der Rechtsprechung nicht umgesetzt. Seit 2003 entwickelten einige Gerichte ein ganz eigenes System. An die Stelle der „ehelichen Lebensverhältnisse” (der geschiedenen Ehe) wurde etwas Neues gesetzt - die stets „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse”.
Maßstab für den Unterhaltsbedarf war für die Rechtsprechung bislang nur die jeweils aktuelle Lebenssituation der Ehegatten nach einer Scheidung; sie entschieden in Unterhaltsstreitigkeiten bislang nach diesem Maßstab.
Mit seiner aktuellen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht diese Vorgabe einiger Familiengerichte für verfassungswidrig erklärt. Der neu entwickelte Maßstab des BGH spiegelt - so die Entscheidung - die ursprünglichen Lebensverhältnisse der früheren (Alt-)Ehe nicht mehr wider. Konsequenz dieser BGH-Rechtsprechung sei nämlich, dass gerade der geschiedene Ehegatte in Folge der neuen Bedarfsermittlungsmethode „regelmäßig weniger, selten dasselbe, nie aber mehr erhält als im Wege einer nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmten Berechnung”. Letztlich bezahlt so der geschiedene Ehegatte für den neuen Partner mit.
Das Bundesverfassungsgericht rügt, diese Rechtsprechung als unbillig, indem es überdeutlich ausführt: „Die Rechtsprechung beruht auf einer, die Grenze zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreitenden Auslegung … in deren Folge der Unterhaltsbedarf und damit der Unterhaltsanspruch in einem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Maße verkürzt wird”. Familiengerichte die so vorgingen verstießen mit der neuen Auslegung gegen Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz. Dieser schützt die wirtschaftliche Handlungsfreiheit jedes Bürgers und somit auch die Ansprüche geschiedener Ehepartner auf angemessenen Unterhalt. Nach alledem war aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die bisherige Rechtsprechung zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts für verfassungswidrig zu erklären.