Der Aufhebungsvertrag gilt als sicheres Mittel zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ohne eine Kündigung auszusprechen.
Regelmäßig erfolgt dabei ein Ausgleich der wechselseitigen Interessen, was bei vorangegangenen Konflikten zu einer Befriedung der Sache beiträgt. Ist die Tinte unter dem Vertrag erst einmal getrocknet, ist eine Beseitigung des Aufhebungsvertrages durch Anfechtung bei einer Drohung, Täuschung oder Irrtum zwar denkbar, jedoch werden die Voraussetzungen von Gerichten streng ausgelegt, so dass dies praktisch wenig durchsetzbar ist.
Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 24.02.2022 (6 AZR 333/21) entschieden. Es ging in diesem Fall um die Frage, ob einer Arbeitnehmerin bei Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages eine Bedenkzeit hätte eingeräumt werden müssen. Oder anders ausgedrückt: Können Arbeitnehmer, wenn ihnen vor Unterzeichnung keine Bedenkzeit eingeräumt wurde, daraus einen Vorteil ziehen und aus dem Aufhebungsvertrag irgendwie wieder “herauskommen“?
In dem entschiedenen Fall des Bundesarbeitsgerichts war die Klägerin seit einigen Jahren als Teamkoordinatorin beschäftigt. Sie wurde zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin gebeten. Sie wurde dann mit dem Vorwurf konfrontiert, in der Vergangenheit unberechtigt Wareneinkaufspreise in der EDV der Arbeitgeberin abgeändert bzw. reduziert zu haben, um einen höheren Verkaufsgewinn vorzutäuschen. An diesem Vorwurf anschließend wurde der Mitarbeiterin ein bereits vorbereiteter Aufhebungsvertrag vorgelegt. Nachdem die Arbeitnehmerin etwa zehn Minuten Zeit hatte, den Aufhebungsvertrag in Anwesenheit des Arbeitgebers zu lesen, unterzeichnete sie ihn schließlich. Eine Woche später erklärte die Arbeitnehmerin die Anfechtung des Aufhebungsvertrages. Es läge eine Verletzung des Gebots des fairen Verhandelns vor, da ihr insbesondere die Einräumung von Bedenkzeit und die Einholung von Rechtsrat verweigert worden sei.
Das Bundesarbeitsgericht kam hier zu dem Ergebnis, dass es keinen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns darstelle, wenn der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag von der sofortigen Annahme abhängig mache. Dies allein stelle noch keine Pflichtverletzung dar, erklärten die höchsten deutschen Richter. Ob ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns vorliegt, ist vielmehr anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation zu beurteilen.
Fazit:
Alleine der Umstand, dass Arbeitnehmern nur eine kurze Bedenkzeit zur Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag gegeben wird, indiziert noch keinen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns. Es kommt vielmehr auf darüber hinausgehende weitere Umstände an. Ein Verstoß kann z.B. dann gegeben sein, wenn eine der Vertragsparteien bei Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag eine Situation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des anderen darstellt. Das Gebot fairen Verhandelns soll ein Mindestmaß an Fairness im Vorfeld des Aufhebungsvertrags gewährleisten. Diese kann etwa verletzt sein, wenn der andere Teil unter massiven Drohungen genötigt wird, den Vertrag zu unterzeichnen. Auch kann eine Verletzung vorliegen, wenn eine objektiv erkennbare Schwächesituation, wie z.B. eine Krankheit, Sprachbarrieren, ausgenutzt oder der Vertragspartner überrumpelt wird.
Es kann beiden Seiten immer nur geraten werden, Fairness walten zu lassen. Im Rahmen der Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag sollte seitens des Arbeitgebers immer darauf geachtet werden, dass eine faire Verhandlungssituation geschaffen wird. Es sollte daher zwingend vermieden werden, betroffene Arbeitnehmer mit Druck zur Unterschrift zu nötigen oder eine Schwächesituation bewusst auszunutzen. Arbeitnehmer dagegen sollten den Aufhebungsvertrag nicht gleich unterschreiben, sondern sich eine Bedenkzeit einräumen lassen und den Vertrag zur Einsicht mitnehmen.