Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 01.09.2010 (Az.: VII R 35/08) entschieden, dass ein Umsatzsteuervergütungsanspruch, welcher der Insolvenzschuldner aufgrund seiner gewerblichen Tätigkeit nach Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag erworben hat, nicht in die Insolvenzmasse fällt und vom Finanzamt mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden verrechnet werden kann.
Mit Urteil vom 22.05.2012 (Az.: VII R 58/10) hat der Bundesfinanzhof dies nochmals bestätigt und erklärt, dass eine Verrechnung mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden auch möglich ist, wenn der Schuldner den Umsatzsteuervergütungsanspruch nach Einstellung des Insolvenzverfahrens, aber noch während der Wohlverhaltensphase erwirbt.
Der Bundesfinanzhof ist der Ansicht, dass die Aufrechnungsvoraussetzungen vorliegen. Einer erklärten Aufrechnung stehe auch das insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbot nicht entgegen. Weder ist eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren – vorbehaltlich der §§ 95, 96 InsO – unzulässig, noch enthält der die Restschuldbefreiung und damit die Wohlverhaltensphase betreffende Achte Teil der InsO Aufrechnungsverbote, die bei vorliegender Sachverhaltsgestaltung in Betracht gezogen werden könnten.
Eine Aufrechnung scheitert auch nicht an § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO. Dieser schließt die Aufrechnung von Neugläubigern gegen Masseforderungen aus. Im vorliegenden Fall gehe es aber um den gewissermaßen umgekehrten Fall einer Aufrechnung von Altgläubigern gegenüber Neuerwerb, den jedoch die Masse gerade nicht für sich beanspruchen kann.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das Finanzamt Steuerschulden verrechnen kann mit Umsatzsteuervergütungsansprüchen, die ein Insolvenzschuldner aus einer freigegebenen Gewerbetätigkeit erlangt oder während der Wohlverhaltensphase erwirbt.