1. Meinungsäußerung im Betrieb
Ausgangspunkt ist hier zunächst die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 05.12.2019:
Stützt sich die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wesentlich auf eine Äußerung, verlangt Art. 5 Abs. 1, Satz 1 des Grundgesetzes zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung ihres Sinns. Es bedarf einer abwägenden Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen.
Nur ausnahmsweise tritt die Meinungsfreiheit bei herabsetzenden Äußerungen zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf, und zwar bei Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dies kann bei einer rassistischen, menschenverachtenden und diskriminierenden Beleidigung bzw. sonstigen Äußerung der Fall sein. Eine solche Äußerung rechtfertigt die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 BGB aus wichtigem Grund.
So führt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 19. 12. 2021 aus: Eine, stets unzulässige Schmähung ist gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose verächtlich machen der betroffenen Person als solcher geht.
Es sind diese Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen. Liegt keine dieser eng umgrenzten Ausnahmekonstellationen vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit.
Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann nach den Umständen des Falles insbesondere erheblich sein, ob sie ad hoc in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist.
2. Außerbetriebliche Meinungsäußerung
Der Arbeitnehmer kann aufgrund der Arbeitspflicht gehalten sein, ein bestimmtes außerdienstliches Verhalten zu unterlassen (§ 241 Abs. 2 BGB). Insoweit spielt es vor allem eine Rolle, ob mit Blick auf die Intensität (Dauer, Häufigkeit) und/oder den Ort der einschlägigen Äußerungen der Betriebsfrieden und die betriebliche Zusammenarbeit gefährdet wird, vergleiche § 104 BetrVG.
So konnte eine Kündigung erfolgen in den nachfolgenden Fällen: LAG Berlin-Brandenburg vom 17.01.2020: Bestreiten/Verharmlosung des Holocaust (privater Abendtermin mit Kunden und Repräsentanten anderer Firmen).
Arbeitsgericht Mannheim vom 19.02.2016: Rassistische Äußerung auf einem Facebook Benutzerkonto, zumindest, wenn sich aus diesem ergibt, dass der Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist und die Äußerung ruf- und geschäftsschädigend sein kann.
Arbeitsgericht Berlin vom 16.01.2019: Außerdienstliche „Verächtlichmachung des Staates und der Verfassung“ (durch eine Lehrkraft).
3. Social Media
Die Problematik ist nicht neu (Stammtisch) hat aber eine andere Beweislage. Grundsatz auch hier: Abwägung zwischen den kollidierenden Grundrechten beider Seiten.
Urteil BAG vom 19.11.2015: Dabei gilt insbesondere zu beachten, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt ist, unternehmensöffentliche Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu äußern. Er bleibt im außerdienstlichen Bereich in seiner Meinungsäußerung frei. Die Meinung darf dabei auch überspitzt oder polemisch gefasst seien.
Urteil LAG Niedersachsen vom 19.12.2022: Äußerungen in einer privaten Chat-Gruppe genießen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der den Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht, wenn der Äußernde auf die Wahrung der Vertraulichkeit vertrauen durfte.
EGMR vom 15.6.2021: Die Verwendung des in „I like“ („j‘aime“) in den sozialen Medien als Mittel, ein Interesse oder eine Zustimmung zu einem Inhalt zum Ausdruck zu bringen, ist eine übliche und beliebte Form der Ausübung der Freiheit der Meinungsäußerung im Netz.