Testament: Was ist “vorhandenes Bargeld”

Testament: Was ist “vorhandenes Bargeld”

In Testamenten findet sich immer wieder die Formulierung, dass ein Erbe das “vorhandene Bargeld” erhalten soll. Was genau von diesem Begriff erfasst ist, entscheid das Landgericht München wie folgt (LG München, Beschl. v. 5. 4.2022 – 33 U 1473/21: Auslegung des Begriffs „vorhandenes Bargeld“ in einem privatschriftlichen Testament - ZErB 2022, 356).

1. Wendet ein Erblasser im Wege des Vermächtnisses mehreren Vermächtnisnehmern das bei seinem Tode „vorhandene Bargeld“ zu, ist eine Auslegung, wonach dieses Bargeld auch „leicht verfügbare Bankguthaben“ erfasst, möglich, aber nicht zwingend.

2. Es gibt keine Regel, nach der unter dem Begriff „Bargeld“ zwangsläufig auch das auf Bankkonten liegende Geld umfasst wird. Das auf Bankkonten liegende Geld ist ersichtlich „unbar“.

Dem Beschluss des Oberlandesgerichts lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

A und B haben die Erblasserin aufgrund Testaments vom 24.3.2015 gemeinschaftlich beerbt. In diesem Testament ordnete die Erblasserin zugunsten des C folgendes Vermächtnis an: „Mein vorhandenes Bargeld soll C erhalten.“ C ist der Auffassung, dass unter dem von der Erblasserin verwendeten Begriff „Bargeld“ habe diese ihr gesamtes Geldvermögen verstanden, insbesondere auch private Bankkonten, Scheine und Münzen und auch das Buchgeld, nicht jedoch nur das im Zeitpunkt ihres Ablebens vorhandene physische Bargeld (Scheine und Münzen).

Das OLG München entschied im vorliegenden Fall hingegen, dass entgegen der Auffassung des C unter den Begriff des „vorhandenen Bargelds“ nicht das gesamte Geldvermögen zu verstehen sei, sondern lediglich das physisch vorhandene Bargeld. Das Oberlandesgericht begründet seine Auffassung wie folgt:

a) Im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung ist, wenn eine Regelung in einem Testament nicht hinreichend bestimmt und damit nicht eindeutig ist, der wahre Wille der Erblasserin zu ermitteln und ihm, soweit er formgerecht niedergelegt ist, Geltung zu verschaffen. Unter dieser Prämisse erkennt das Gericht, dass die Erblasserin ihre Verfügungen in für sie absteigender Bedeutung vorgenommen hat. Während die Erbeinsetzungen zugunsten von A und B an der Spitze des Testaments stehen, folgen die weiteren Verfügungen einer absteigenden Systematik, wonach erst am Ende das Bargeld zugewendet wird. Dass das Bargeld gegen Ende des Testaments erwähnt wird, ist ein Indiz dafür, dass die Erblasserin damit nur das physisch vorhandene Bargeld meinte.

b) Ausgehend vom Wortlaut der Verfügung war ferner maßgeblich, wie die Erblasserin den Begriff „Bargeld“ verwendet bzw. verstanden hat. Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des BayObLG (DNotZ 2003, 870) hat sich das Gericht demzufolge mit der Frage auseinandergesetzt, was die Erblasserin im konkreten Fall mit den Wörtern „vorhandenes Bargeld“ zum Ausdruck bringen wollte.

aa) Dabei erkannte es zunächst, dass es durchaus Konstellationen gibt, in denen unter dem Begriff des Bargelds auch andere Geldformen verstanden werden können, und dass es nach der Lebenserfahrung keinesfalls fernliege, dass „der Erblasser mit dem Begriff „Barschaft“ nicht nur den – geringen – Bargeldbestand im Haus bzw. in der Geldbörse gemeint hat, sondern auch die (leicht verfügbaren) Bankguthaben“. Ähnliches ergibt sich aus einer Entscheidung des OLG Karlsruhe (ZEV 2007, 380), wonach „sich frei veräußerliche Kapitalanlagen, wie sie die hinterlassenen Depots enthalten haben, noch zwanglos dem Begriff des „Bargelds“ zuordnen [lassen]“. Schließlich hat auch der BGH in der Entscheidung IV ZR 17/74 eine Entscheidung der Vorinstanz gebilligt, wonach vom Begriff „Barvermögen“ auch das auf Konten vorhandene Buchgeld samt Wertpapierdepot umfasst sein kann. Zwingend in dem Sinne, dass vom Begriff „Bargeld“ auch zwangsläufig das auf Konten vorhandene Buchgeld umfasst ist, ist dies indes nicht und in keiner der genannten Entscheidungen wurde dies so judiziert.

bb) Soweit auch in der Literatur vertreten wird, dass das Wort „Barvermögen“ nicht auf das Bargeld beschränkt sei, sondern „in der Regel auch das auf diversen Bankkonten liegende Geld [umfasse]“ (Reymann, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 3.4.2020, § 2174 BGB Rn 107), liegt dem gerade keine allgemein gültige Regel zugrunde. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Das auf Bankkonten liegende Geld ist ersichtlich „unbar“. Die Deutsche Bundesbank geht beispielsweise davon aus, dass „die ausgegebene Menge an Bargeld kontinuierlich [ansteige]“, dass „Bargeld in der Bevölkerung ein sehr hohes Vertrauen [genieße]“ und „während der Corona-Pandemie … die Auszahlungen von Banknoten … außergewöhnlich stark [zunahmen]“ (Deutsche Bundesbank, Zahlen & Fakten rund ums Bargeld; Abbildungen, Tabellen und Erläuterungen zum Bargeld). Das zeigt, dass es gewichtige Argumente für die Auslegung des Begriffs „vorhandenes Bargeld“ in Richtung der physisch vorhandenen Münzen und Scheine gibt. Vor diesem Hintergrund kommt das OLG nicht zu dem Ergebnis, dass im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Begriff „Bargeld“ auch das Buchgeld gemeint ist.

cc) Auch im Hinblick darauf, dass es sich bei der Erblasserin um eine erfahrene Geschäftsfrau handelte, die ihre Vermögenswerte nicht „wie eine misstrauische ältere Dame zuhause unter dem Kopfkissen lagerte“, liegt es nahe, dass sie wusste, was sie mit dem Begriff „Bargeld“ ausdrückt. Stattdessen hätte sie den Begriff „Geld“ verwenden können, um diesem einen weiteren Bedeutungsgehalt zu geben.

Wir raten daher, bei der Testamentsgestaltung den Begriff des „(vorhandenen) Bargelds“ zu vermeiden oder klar zu definieren, damit die Auslegung des Erblasserwillens nicht erforderlich wird.

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