Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt nicht nur den Unterhaltsanspruch von Eltern gegenüber den Kindern, sondern auch eines Kindes gegenüber den Eltern (§§ 1601 ff. BGB). Insbesondere wenn Eltern keine ausreichende Altersvorsorge getroffen haben (z.B. bei Selbständigen) oder wenn sich Eltern im Pflegeheim befinden, werden sie häufig unterhaltsbedürftig, da sie sich, angesichts der hohen Kosten nicht mehr selbst unterhalten können. Meist machen Eltern diesen Unterhaltsanspruch nicht gegen über ihren Kindern geltend. Den Anspruch kann jedoch der Träger der Sozialhilfe aus “übergegangenem Recht” gegenüber den Kindern geltend machen, wenn der Elternteil Leistungen nach dem SGB XII erhalten hat.
Gem. § 94 SGB XII geht dieser Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht und der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über, wenn der unterhaltsbedürftige Elternteil Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch genommen hat. Die Höhe dieses übergangenen Anspruchs ist jedoch auf Höhe der Sozialleistungen beschränkt.
Dieser Rückgriff auf die Kinder wird insbesondere durch das Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz), welches zum 01.01.2020 in Kraft getreten ist, eingeschränkt. Nach § 94 Abs. 1a SGB XII sind Unterhaltsansprüche gegenüber den Kindern nicht zu berücksichtigen, außer das jährliche Gesamteinkommen des Kindes i.S.d. § 16 SGB IV beträgt mehr als 100.000,00 EUR. Wenn diese sogenannte “Jahreseinkommensgrenze” nicht erreicht wird, ist auch ein Anspruchsübergang auf den Träger der Sozialhilfe ausgeschlossen.
Hierbei greift zur Gunsten der Kinder die Vermutung gem. § 94 Abs. 1a Satz 3 SGB XII, dass das Kind diese Einkommensgrenze nicht übersteigt. Für die Widerlegung der Vermutung kann der Träger der Sozialhilfe vom Kind jedoch Auskunft über dessen Einkommen verlangen.
Bei mehreren Kindern kommt es zu Haftungsanteilen zwischen den Geschwistern. Trotz der 1000.000,00 EUR-Grenze, die durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz eingeführt wurde, ist weiterhin eine Berechnung der Haftungsteile aller Kinder nach §§ 1601 ff. BGB vorzunehmen und ein prozentuales Verhältnis zu schaffen, unabhängig, ob nur eines der Kinder die Einkommensgrenze überschreitet. Hierfür hat der Sozialträger einen Auskunftsanspruch gegenüber allen Kindern. Die Schaffung eines prozentualen Verhältnisses führt dazu, dass das Kind mit dem Einkommen über 100.000,00 EUR nicht den vollen Unterhalt für seine Eltern zu zahlen hat; vielmehr wird das Kind nur mit seinem prozentualen Haftungsanteil in Anspruch genommen. Die Kinder unter der Einkommensgrenze werden nicht in Anspruch genommen.
Durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz werden viele Kinder nicht mehr für den Unterhalt ihrer Eltern aufkommen müssen. Lediglich bei einem Jahreseinkommen von über 100.000,00 EUR geht der Anspruch auf den Leistungsträger über. Hier sind dann jedoch wieder die Regelungen und insbesondere die Rechtsprechung zum Unterhaltsanspruch nach dem BGB von Bedeutung, da sich die Höhe des Anspruchs, den der Sozialträger erhält, nach den Normen des BGB (§§ 1601 ff. BGB) richtet. In diesem Rahmen werden dann wieder der Bedarf des Elternteils und die Leistungsfähigkeit des Kindes relevant, so dass die Berechnung der richtigen Unterhaltshöhe häufig rechtliche Komplikationen und hohen Rechenaufwand mit sich bringt.