Darlegungs- und Beweislast bei Ersatz nach § 64 GmbHG

Darlegungs- und Beweislast bei Ersatz nach § 64 GmbHG

Trotz Insolvenz: Geschäftsführer - nicht der Insolvenzverwalter - muss im Rahmen des § 64 GmbHG wegen sekundärer Beweislast darlegen, dass Vermögen der Gesellschaft nicht überschuldet ist.

(OLG Hamburg, Urt. V. 16.03.2018 – 5 U 191/16)

Nach dem OLG Hamburg muss der nach § 64 GmbH in Anspruch genommene frühere GmbH-Geschäftsführer selbst darlegen und beweisen, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt von Zahlungen doch nicht zahlungsunfähig bzw. überschuldet gewesen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Aktivierung von Forderungen in der Überschuldungsbilanz nur bei tatsächlich realisierbaren Forderungen möglich. Dies gilt aufgrund der für die Prüfung der insolvenzrechtlichen Überschuldung entsprechend anwendbaren steuerrechtlichen Grundsätze vorsichtiger Bewertung.

Dem Urteil des OLG Hamburg liegt ein Fall zugrunde, in welchem der Insolvenzverwalter (Kläger) den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin (Beklagter) nach § 64 S. 1 GmbHG auf Schadenersatz wegen Zahlungen in Anspruch nahm, die im Zeitraum vom 11.2.2010 bis 20.5.2010 aus der Kasse bzw. Konten der Insolvenzschuldnerin veranlasst wurden. Durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 7.5.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

Grundsätzlich sind nach § 64 Satz 1 GmbHG Geschäftsführer einer GmbH zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Feststellung der Überschuldung geleistet wurden.

Die Überschuldung für die Insolvenzschuldnerin bestand nach der Überschuldungsbilanz per 31.12.2009, da ausweislich dieser das Vermögen der Insolvenzschuldnerin die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckte (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO) und die Fortführung des Unternehmens den Umständen nach unwahrscheinlich erscheint.

Nach dem Oberlandesgericht hat der Kläger die Überschuldung der Insolvenzschuldnerin schlüssig dargelegt, indem er sowohl auf den Jahresabschluss und die Handelsbilanz vom 31.12.2009 verwies sowie die Überschuldungsbilanz vom 31.12.2009 vorlegte. Als grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtiger Kläger habe er hinreichend darlegt, dass ein Fehlbetrag gegeben ist und keine stillen Reserven vorhanden sind.

Der Vortrag und Nachweis, dass dennoch stille Reserven oder sonstige Wertaufhellungen in der Bilanz unberücksichtigt geblieben sind, obliege dem Beklagten im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast. Der Geschäftsführer müsse in derartigen Fällen darlegen, weshalb einzelne Bilanzansätze zugunsten der Gesellschaft abweichend zu beurteilen sein sollen.

Vorliegend konnte sich der Beklagte nicht erfolgreich darauf berufen, dass keine Überschuldung vorgelegen habe. Er konnte den Beweis, dass Darlehensvaluta der Insolvenzschuldnerin faktisch nur einen Tag zur Verfügung gestanden hätten und nie beabsichtigt gewesen sei, diese der Insolvenzschuldnerin endgültig zur Verfügung zu stellen, mithin also Scheingeschäfte vorlagen, nicht erbringen.

Die Darlehensverträge seien aufgrund der zügigen Veruntreuung eines Teils der Darlehensvaluta zugunsten der Darlehensgeber als Scheingeschäfte zu würdigen. Es sei von den Darlehensgebern von vornherein nicht beabsichtigt gewesen die Darlehensvaluta der Insolvenzschuldnerin endgültig zur Verfügung zu stellen.

Zudem konnte er mit seiner Rechtsauffassung, dass Forderungen der Gesellschaft aus Geschäften mit Russland und Dubai in voller Höhe wertaufhellend zu berücksichtigen seien, nicht durchdringen. Die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz setzt nach dem Oberlandesgericht vielmehr voraus, dass die Forderung einen realisierbaren Vermögenswert darstellt und durchsetzbar ist. Dies steht auch im Einklang mit den Grundsätzen einer vorsichtigen Bewertung in der Überschuldungprüfung, da hierbei gemäß § 19 InsO die realistische Beurteilung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft und um den Gläubiger- und Verkehrsschutz erfolgen muss. Bei Forderungen mit Bezug ins russische und arabische Ausland seien die Erfolgsaussichten der Durchsetzung nur gering und möglicherweise gänzlich erfolglos. Das OLG berücksichtige diese Forderungen wertaufhellend daher nur mit 20 % ihres nominellen Wertes.

Des Weiteren lag auch keine positive Fortführungsprognose vor, für welche nach § 64 S. 1 GmbHG ebenfalls der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig gewesen wäre. Die Fortführungsprognose sei im Kern eine Zahlungsfähigkeitsprognose, die einer nachvollziehbaren Vermögens-, Finanz- und Ertragsplanung bedarf. Eine solche konnte der Beklagte nicht vorlegen. Der reine Fortführungswille genügt nicht, wenn sämtliche finanziellen und technischen Umstände es auf unabsehbare Zeit, jedenfalls aber bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres als unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass Gewinn erzielt und somit Zahlungsfähigkeit eintreten werde.

Da das Gericht den Vortrag des Beklagten zu den Zahlungen als nicht ausreichend substantiiert bewertete, stand fest, dass diese Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nach § 64 S. 2 GmbHG nicht vereinbar sind und die dem Geschäftsführer obliegende Verpflichtung zur Erhaltung der Masse schuldhaft verletzt wurde, bestand der Anspruch auf Zahlung.

Die Zahlungen erfolgten auch schuldhaft. Ein schuldhaftes Handeln scheide nach dem Oberlandesgericht nur dann aus, wenn der Geschäftsführer sich aufgrund fehlerhafter einer unabhängigen und fachlich kompetenten Beratung, in einem nicht vorwerfbaren Irrtum bezüglich der Insolvenzreife der Gesellschaft befinde.

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