In einem Erbvertrag können mehrere Personen vertragliche Regelungen vereinbaren. Hierbei fungieren Erbverträge ähnlich wie gemeinsame Testamente. Die Verträge gelangen, wie Testamente in amtliche Verwahrung und stehen dann im Erbfall, leicht auffindbar zur Verfügung.
Gem. § 2300 BGB kann ein Erbvertrag, der nur Verfügungen von Todes wegen enthält, aus der amtlichen Verwahrung herausverlangt werden. Wird der Erbvertrag jedoch mit einem Ehevertrag verbunden besteht kein Anspruch auf Herausgabe der Urkunde aus amtlicher Verwahrung. Dies gilt sogar, wenn der kombinierte Vertrag später aufgehoben wurde, so das OLG Frankfurt am Main mit Beschluss vom 19.09.2023 (Az.: 21 W 63/23). Auch über eine verfassungskonforme Auslegung könnten die Beteiligten nicht die Eröffnung der Urkunde trotz geänderter Willenslage verhindern.
Der Entscheidung liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Eheleute schlossen 2011 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag, welchen sie in die amtliche Verwahrung gaben. 2018 errichteten sie ein notarielles Ehegatten-Testament, in dem sie u.a. den zuvor beurkundeten (und verwahrten) Erbvertrag widerriefen. An den Erklärungen zum Ehevertrag sollte sich dagegen nichts ändern. Auch diese Urkunde gaben sie in amtliche Verwahrung.
Später hoben sie mit notarieller Urkunde im Jahr 2022 den Ehe- und Erbvertrag aus 2011 und das gemeinschaftliche Testament aus 2018 auf und beantragten die Rückgabe der Urkunden. Das Nachlassgericht wies die Anträge zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte teilweise Erfolg, soweit es die Herausgabe des gemeinschaftlichen Testaments betrifft.
Allerdings - so das OLG - könnten die Beteiligten nicht die Herausgabe des kombinierten Ehe- und Erbvertrags aus dem Jahr 2011 verlangen. Der gesetzliche Herausgabeanspruch nach § 2256 Abs. 2 BGB für Testamente sei nach dem eindeutigen Willen des Reformgesetzgebers für Erbverträge eingeschränkt. Soweit ein Erbvertrag neben der Verfügung von Todes wegen weitere Regelungen enthalte, sei eine Herausgabe ausgeschlossen (§ 2300 Abs. 2 BGB). Die herausverlangte Urkunde der Eheleute aus dem Jahr 2011 umfasse neben dem Erbvertrag auch Regelungen zum Ehevertrag. Damit unterfalle der Ehe- und Erbvertrag nicht dem Herausgabeanspruch.
Insbesondere sei der Anwendungsbereich des Rückgabeanspruchs auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu erweitern. Zwar liege im Hinblick auf das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein Grundrechtseingriff vor. Dieser Eingriff sei aber unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm gerechtfertigt. Die Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit bei kombinierten Erbverträgen diene dem Schutz der die ehevertraglichen Regelungen enthaltenen Originalurkunde vor Verlust. Da ein Ehevertrag typischerweise Regelungen enthalte, die zu Lebzeiten maßgeblich seien, bestehe ein besonderes Interesse am Erhalt der Urkunde. Die Testierenden hätten selbst bei sehr persönlichen Inhalten nicht mehr die Möglichkeit, eine Eröffnung des Erbvertrags zu verhindern und müssten die Bekanntgabe eines mittlerweile geänderten Willens in Kauf nehmen.