Als “Kinderehe” bezeichnet man als eine Ehe, bei der mindestens einer der Partner unter 18 Jahre alt ist. In anderen Rechtsordnungen können schon sehr junge Mädchen - manche jünger als 10 Jahre - verheiratet werden. Diese Ehepaare kommen nun verstärkt nach Deutschland, so dass sich die dringende Notwendigkeit einer rechtlichen Regelung des legalen Status dieser Ehen stellte. Im April 2024 wurde durch das Justizministerium ein Gesetzesentwurf zur Änderung von Kinderehen vorgelegt, Anfang Juni verabschiedete der Bundestag das Gesetz. Dies gibt Anlass, die aktuelle Rechtslage sowie die vorgeschlagenen Änderungen genauer zu betrachten.
Nach § 1303 Satz 2 BGB sind Ehen mangels Ehemündigkeit unwirksam, wenn sie mit einer Person eingegangen werden, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Art. 13 EGBGB regelt, dass bei Auslandsbezug die Voraussetzungen der Eheschließung und damit auch die Ehemündigkeit nach dem Recht des Staates, dem der Verlobte angehört, zu beurteilen sind. Dennoch wird dies in Absatz 3 der Regelung dahingehend eingeschränkt, dass Ehen, deren Ehemündigkeit ausländischem Recht unterliegt, unwirksam oder aufhebbar sein können.
Das Vorgesagte macht deutlich, dass Kinderehen in Deutschland verboten sind – hierbei soll es auch nach dem Gesetzesentwurf verbleiben, auch wenn die Ehe von ausländischen Staatsbürgern im Ausland nach dem dort geltendem Recht wirksam geschlossen werden konnte. Relevant ist jedoch –insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG Beschluss vom 1.2.2023 – 1 BvL 7/18), in welchem es sich mit dem im Jahr 2017 zur Bekämpfung von Kinderehen eingefügten Art. 13 Abs. 3 Nr 1 EGBGB befasst und feststellt, dass die Norm mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist–, dass die Grundrechte der Beteiligten gewahrt werden müssen. Aus diesem Grund legte das Justizministerium den Gesetzesentwurf mit den nachfolgenden Regelungen vor.
Vorab sind zwei unterschiedliche Situationen zu berücksichtigen:
1. Ein Beteiligter unter 16 Jahren
Nach bisher geltendem Recht sind Ehen Minderjähriger, an welchen eine unter 16 Jahren alte Person beteiligt ist, nach deutschem Recht unwirksam. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass ein Gericht oder eine Behörde die Unwirksamkeit ausspricht; vielmehr gilt dies automatisch und ohne weitere Zwischenschritte, Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB. Diese Regelungen bleiben auch nach dem Gesetzesentwurf erhalten.
Als Neuregelung kann die nach deutschem Recht unwirksame jedoch Ehe geheilt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beteiligte, der bei Eheschließung unter 16 Jahre alt war, zwischenzeitlich volljährig ist. Zudem muss der Beteiligte eine Erklärung abgeben, dass er die Ehe aufgrund eines selbstbestimmten Entschlusses fortführen will – sollten beide Beteiligten bei Eheschließung noch keine 16 Jahre alt gewesen sein, müssen beide diese Erklärung abgeben. Ein eheliches Zusammenleben ersetzt die Erklärung nicht und ist damit nicht ausreichend. Dies findet Niederschlag im neuen § 1305 Abs. 2 BGB.
Eine Neuregelung betrifft hierbei auch den Unterhaltsanspruch bei unwirksamen Auslandsehen, womit der Gesetzesentwurf dem o.g. Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden will. Diesem Beteiligten soll daher künftig – entsprechend den gesetzlichen Vorschriften über eheliche und nacheheliche Unterhaltsansprüche – ein Unterhaltsanspruch eingeräumt werden. Allerdings sollen Personen, die bei der Eheschließung noch nicht 16 Jahre alt waren, nicht zur Unterhaltszahlung verpflichtet werden können. Das soll dem Minderjährigenschutz gerecht werden. Geregelt wird dies im neuen § 1305 Abs. 1 BGB.
2. Ein Beteiligter über 16 und unter 18 Jahren
Sind an der Ehe Minderjährige beteiligt, die mindestens 16 Jahre alt waren, ist die Ehe wirksam, kann jedoch nach deutschem Recht aufgehoben werden, Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB. Auch diese Regelung bleibt bestehen.
Der Gesetzesentwurf zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen wurde am 07.06.2024 (Deutscher Bundestag Drucksache 20/11367) durch den Bundestag angenommen.