Der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit von der Zahlung einer tariflichen Inflationsausgleichsprämie kann gegen das Willkürverbot verstoßen, so das Arbeitsgericht Essen in seinem Urteil vom 16.04.2024 (3 Ca 2231/23).
In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Essen stand im Streit, der Anspruch auf Zahlung einer tariflich gewährten Inflationsausgleichsprämie während der Elternzeit. In dem zu entscheidenden Fall fand eine tarifliche Regelung zum Inflationsausgleich Anwendung. Diese tarifliche Regelung machte die Sonderzahlung davon abhängig, dass im Bezugsmonat an mindestens einem Tag Anspruch auf Entgelt bestanden hat. Die beklagte Arbeitgeberin zahlte daraufhin an die Klägerin - so lange sich diese in Elternzeit befand und keine Teilzeittätigkeit ausübte - keinen Inflationsausgleich.
Die Klägerin war der Ansicht, dass sie einen Anspruch auf Inflationsausgleichsprämie habe, auch wenn sie sich in der Elternzeit befinde. Sie vertrat die Meinung, dass ein Verstoß gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsverbot vorläge. Zu dem begründe der Tarifvertrag eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne des § 1 AGG. Sie erhob hiergegen Klage.
Das Arbeitsgericht Essen gab ihr in seinem Urteil vom 16.04.2024 recht und bewertete die Regelung aus dem Tarifvertrag zum Inflationsausgleich als unwirksam, da sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und damit gegen höherrangiges Recht verstoße. Das Arbeitsgericht Essen stellt in seiner Entscheidung klar, dass die Inflationsausgleichsleistungen nach dem Tarifvertrag keine Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung darstellen. Aufgrund der tarifvertraglichen Konzeption erhielten etwa auch Arbeitnehmer die Zahlung, die an mindestens einem Tag im Bezugszeitraum Krankengeld bei Erkrankung des Kindes beziehen, im gesamten Bezugszeitraum jedoch keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Arbeitgeber hätten. Damit seien andere Arbeitnehmer, die ebenfalls keinen Anspruch auf Entgelt gehabt hätten, bessergestellt als solche in der Elternzeit. Hier betont auch das Arbeitsgericht Essen, dass alle Gruppen von den gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen seien und da die Inflationsausgleichsprämie keine Leistung für erbrachte Arbeit darstelle, liege auch kein sachlicher Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung vor.
Folge dieser Entscheidung:
Die Entscheidung beseitigt rechtliche Unsicherheiten aufgrund des Tarifwortlauts, der so oder ähnlich auch in anderen Tarifverträgen zu finden sein wird. Sie zeigt, dass die Ungleichbehandlung gerade bei Sonderzahlungen immer genau überprüft werden müsse. Insbesondere Beschäftigte, die während der Elternzeit in Teilzeit tätig sind, dürfen nicht aufgrund der Teilzeittätigkeit benachteiligt werden. Derartige Entscheidungen werden zukünftig Teilzeitbeschäftigte ermutigen, gegen etwaige Ungleichbehandlungen vorzugehen.
Es kann nun durchaus sein, dass Arbeitgeber, die an einen tarifvertraglichen Inflationsausgleichsanspruch gebunden sind, sich nun möglicherweise mit Nachforderungen konfrontiert sehen.
Diese sollten sich jedoch aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfristen in Grenzen halten. Diese Ausschlussfristen gilt es sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite zu beachten.