Arbeitgebern ist es ohne triftigen Anlass verboten auf Dienstrechnern Softwareprogramme zu installieren, welche jegliche Eingaben des Arbeitnehmers an der PC-Tastatur protokollieren, um so aufs Geratewohl Informationen zu erhalten. Eine hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam.
(Urt. v. 27. Juli 2017, Az. 2 AZR 681/16)
Mit Urteil vom 27.07.2017 gab das BAG der Kündigungsschutzklage eines Webentwicklers statt, welchem wegen behaupteten Arbeitszeitbetrugs gekündigt wurde.
Das Arbeitsverhältnis des, seit Juli 2011 bei dem beklagten Arbeitgeber, Beschäftigten enthielt eine Klausel infolge derer Hard- und Software ausnahmslos zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben genutzt werden darf. Im Zusammenhang mit der Freigabe des Netzwerks teilte der Beklagte ihren Arbeitnehmern im Frühjahr 2015 mit, dass der Internetverkehr und die Benutzung ihrer Systeme „mitgeloggt“, also sämtliche Tastatureingaben protokolliert und regelmäßig Bildschirmfotos gefertigt, werden. Die vom Arbeitgeber eingeräumte Möglichkeit des Widerspruchs gegen diese Maßnahmen nahm der Kläger nicht wahr.
Nach erstmaliger Auswertung der so gewonnen Daten, warf der Beklagte dem Kläger, im Rahmen eines Gesprächs, eine erhebliche Privatnutzung des Dienstcomputers während der Arbeitszeit vor. Als der Kläger nunmehr dies eingestand kündigte ihm sein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Mit der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage hatte der Kläger beim BAG – ebenso wie schon in den Vorinstanzen – Erfolg. Hierbei argumentiert dieser, er habe lediglich gelegentlich und während den Pausen private Angelegenheiten für seinen Vater besorgt. Zudem verstoße die Art der Überwachung gegen sein grundrechtlich garantiertes informationelles Selbstbestimmungsrecht.
Grundrechte am Arbeitsplatz?
Hiergegen vertrat die Beklagte, dass ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zumutbar sei, da die durch die Keylogger erhobenen Daten eine nicht nur unerhebliche Nutzung zu privaten Zwecken belegen. Dieses Ergebnis stehe zudem im Einklang mit der sinkenden Produktivität des Klägers in maßgeblichem Zeitraum. Auch stelle der Mitschnitt der Eingaben keine Verletzung gegen die informationelle Selbstbestimmung dar. Dies da die Systeme des Arbeitgebers nicht zu Zwecken außerhalb des Arbeitsverhältnisses verwendet werden durften. Die Daten würden damit nicht in seine Privatsphäre fallen.
Dieser Auffassung folgte das Arbeitsgericht hingegen nicht. Ein pflichtwidriges Verhalten des Klägers könne mangels dahingehender Ergiebigkeit der Daten nicht festgestellt werden, so die erste Instanz.
LAG: Grundrechtsverstoß durch Verwendung von Keylogger
Ferner blieb der Arbeitgeber auch am Landesarbeitsgericht erfolglos. So sah das LAG Hamm in der Überwachung einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und kam zu der Unverwertbarkeit der so erlangten Informationen. Nach Ansicht der Richter wog der Eingriff umso schwerer, als dass die Daten ohne jedweden Verdacht einer Straftat oder Pflichtverletzung erhoben wurden, was allerdings für eine Rechtfertigung im Einzelfall bezüglich derartige Maßnahmen erforderlich sei.
Dem schloss sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 27.07.2017 an, wies die Revision des Beklagten Arbeitgebers zurück und erklärte die Kündigung für unwirksam.
Keine Maßnahmen „ins Blaue hinein“
Das BAG machte deutlich, dass hinsichtlich der durch die Keylogger gesammelten Erkenntnisse über die Tätigkeiten des Klägers im gerichtlichen Verfahren ein Verwertungsverbot bestehe. Durch die Verwendung derartiger Software habe der Beklagte das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Die Abschöpfung sei nach § 32 Abs. 1 BDSG unzulässig gewesen. Dies sei nach selbiger Regelung nur dann erlaubt, wenn der Arbeitgeber sich auf Tatsachen stützen könne, die den Verdacht einer Straftat oder einer schwerwiegenden Pflichtverletzung begründeten. Da dies der Beklagte vorliegend nicht einmal im Ansatz darzulegen vermochte, seien die von ihr „ins Blaue hinein“ veranlassten Maßnahmen unverhältnismäßig gewesen. Bezüglich der vom Kläger selbst eingestandenen Privatnutzung habe das LAG rechtsfehlerfrei angenommen, diese trage eine Kündigung mangels vorheriger Abmahnung nicht.