Ähnlich wie beim Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen kann ein Versicherungsnehmer nach einem Widerspruch gegen den Versicherungsvertrag die an das Versicherungsunternehmen gezahlten Beträge zurückverlangen. Dies gilt insbesondere für Verträge aus den Jahren 1994 bis 2007. Damals war es üblich, dass der Kunde nicht sofort bei Vertragsschluss alle Unterlagen ausgehändigt bekam. Vielmehr wurden die Unterlagen des Kunden erst zu einem späteren Zeitpunkt zusammen mit dem Versicherungsschein vervollständigt.
Der Versicherungsvertrag galt als abgeschlossen, wenn nicht innerhalb von 14 Tagen widersprochen wurde. Über dieses Widerspruchsrecht musste der Kunde ordnungsgemäß belehrt werden. Viele Belehrungen waren jedoch fehlerhaft mit der Folge, dass die Widerspruchsfrist nie anlief und dem Vertrag auch noch Jahre später widersprochen werden kann.
Im Zusammenhang mit dem Widerspruch gegen den Vertrag einer fondsgebundenen Lebensversicherung steht eine aktuelle Entscheidung des BGH (Urt. v. 11.11.2015, Az: IV ZR 513/14). Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger schloss zum 01.09.1999 eine fondgebundene Lebensversicherung ab. Das bestehende Widerspruchsrecht wurde in den Vertragsunterlagen zwar erwähnt, jedoch nicht drucktechnisch hervorgehoben, wie vom Gesetzgeber verlangt. Im Jahr 2013 erklärte der Kläger den Widerspruch. Der Beklagte verstand den Widerspruch jedoch als Kündigung und zahlte unter Berücksichtigung der Fondsanteile aus dem Fondsdeckungskapital und der Fondsanteile aus dem Überschussguthaben einen Einmalbetrag aus. Der Kläger verlangte mit seiner Klage die Rückzahlung sämtlicher auf den Vertrag geleisteten Beträge zzgl. Zinsen.
Der BGH hat zunächst festgestellt, dass dem Kläger aufgrund der fehlerhaften Belehrung über das Widerspruchsrecht ein zeitlich unbegrenztes Recht zum Widerspruch zusteht. Nach Ausübung dieses Rechts kann der Kläger gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt. BGB die Rückzahlung alle gezahlten Prämien verlangen. Allerdings hat sich der Kläger den faktisch bis zum Widerspruch genossenen Versicherungsschutz mindernd anrechnen zu lassen. Hierzu zählen beispielsweise Risikobeiträge für den Todesfallschutz.
Neu ist, dass sich nach Ansicht des BGH der Kläger daneben bereicherungsmindernd anrechnen lassen muss, dass die Fonds, in welche die Sparanteile der von ihm gezahlten Prämien angelegt wurden, Verluste erwirtschaftet haben. Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen wird das eingezahlte Kapital der Versicherungsnehmer regelmäßig in diverse Fonds investiert. Nach Auffassung des BGH kann das Verlustrisiko aus der Anlage nicht dem Versicherer auferlegt werden. Hierzu führt der BGH wörtlich aus:
Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung entscheidet sich der Versicherungsnehmer für ein Produkt, bei dem die Höhe der Versicherungsleistung – abgesehen von der Todesfallleistung – nicht von vorneherein betragsmäßig festgelegt, sondern vom schwankenden Wert des Fondsguthabens abhängt. Die – mit Gewinnchancen, aber auch Verlustrisiken behaftete – Kapitalanlage ist für den Versicherungsnehmer neben der Risikoabsicherung ein wesentlicher Gesichtspunkt, wenn er sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung entscheidet. Dies rechtfertigt es grundsätzlich, ihnen das Verlustrisiko zuzuweisen, wenn der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande kommt und rückabgewickelt werden muss.
Kurz gesagt: Der Versicherungsnehmer kann nach einem wirksam erklärten Widerspruch die Rückzahlung seiner eingezahlten Beträge zzgl. Zinsen, abzüglich der Verluste aus den Fondsanteilen verlangen.
Fazit: Als Folge dieser Entscheidung wird der Widerspruch – auch Jahre nach Abschluss des Versicherungsvertrages – unattraktiver, wenn die Fonds Verluste erwirtschafteten.
Vor Erklärung des Widerspruchs sollte daher geprüft und berechnet werden, ob sich aus finanzieller Sicht der Widerspruch lohnt. Dies gilt gerade bei alten Verträgen mit hohen Garantiezinsen.